Zum Schutz der Meere: Künstliche Intelligenz in der Erprobung
Meere können nur mit globalen Anstrengungen dauerhaft geschützt werden. Künstliche Intelligenz kann dabei unterstützen, zum Beispiel bei der Reduzierung von Plastikmüll oder um potenzielle Renaturierungsmaßnahmen zu planen.
Ausgangslage
Etwa 70 Prozent der Erdoberfläche werden von Meeren bedeckt. Sie halten circa 97 Prozent des Weltwasservorkommens, nehmen eine entscheidende Rolle bei globalen Stoffkreisläufen und der Regulation des Klimas ein. Zudem weisen Meere eine hohe Biodiversität auf. Sie stellen jedoch auch für viele Menschen eine Lebensgrundlage dar. Das globale Wirtschaftssystem hätte sich ohne die Meere als Transportwege in der heutigen Form nicht entwickelt. Weite Teile unserer Energiewirtschaft, der Nahrungsmittelversorgung und des Tourismus sind von Meeren abhängig.
Dabei unterliegen die Meere seit Jahrhunderten einem menschlichen Einfluss, dessen Ausmaße weiterhin zunehmen. Marine Ökosysteme stehen durch Schadstoffeinträge, Munitionsaltlasten oder ausufernde Nährstoffeinträge unter massivem Verschmutzungsdruck. Zusätzlich führen Nutzungen wie Fischerei, intensiver Schiffsverkehr und Offshore-Aktivitäten zur Energiegewinnung – wie die Förderung von Öl und Gas oder das Errichten von Windparks – zu erheblichen Störungen der Meeresumwelt. Die weitreichende übermäßige Nutzung, z.B. Überfischung, hat erhebliche negative Effekte auf das Meeresökosystem.
Wie kann Künstliche Intelligenz beim Schutz der Meere helfen?
Die Erfahrung zeigt: Selbst ambitionierteste Meeresschutzabkommen reichen für den Schutz der Meere nicht aus. Erforderliche Maßnahmen zum Meeresschutz beginnen vielmehr bereits im Binnenland, wo etwaige Meeresschutzabkommen keine unmittelbare Wirkung entfalten.
Besonders sichtbar wird der landseitige Beitrag zur Meeresverschmutzung beim Kunststoffmüll im Meer, der zu großen Teilen von Land über die Flüsse und Küsten eingetragen wird. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) könnte beispielsweise dazu beitragen, die Eintragsquellen von Kunststoffabfällen zu identifizieren, die in Flüsse und letztlich in die Meere gelangen. Wie das gelingen könnte, wird beispielsweise am DFKI erforscht. So sollen Daten aus RGB-Bildgebung und Hyperspektralkameras von Tauchrobotern gesammelt und mittels KI das Ausmaß der Verschmutzung eingeschätzt werden. Welche Art von Müll sich an der Wasseroberfläche befindet, kann wiederum durch die Analyse von Bilddaten mit KI im BMUV-geförderten KI-Leuchtturmprojekt PlasticObs+ festgestellt werden. Auf diese Weise können letztlich effiziente Vermeidungsmaßnahmen an der Quelle der Verschmutzung ermöglicht werden.
Auch könnte KI eingesetzt werden, um Kollisionen zwischen Seeschiffen und Walen zu vermeiden. Vor der Westküste Nordamerikas wurden im Rahmen des Projektes WHALESAFE Bojen mit Hydrophonen installiert. Mittels KI werden Unterwassergeräusche nahezu in Echtzeit analysiert und es wird klassifiziert, welche Walart in dem Seegebiet anwesend ist. Da Wale nicht zu jeder Zeit Laute von sich geben, werden die Daten mit Sichtungen – beispielsweise von Whale-Watching-Booten – ergänzt. Halten sich Wale in einem Seegebiet auf, können die Daten an Schiffe vor Ort gesendet werden. Die Schiffe können daraufhin ihre Route anpassen oder zumindest die Geschwindigkeit reduzieren. Ausgereift ist die Technologie zum Schutz der Wale aber noch nicht. Die Installation von etwaigen Empfängern ist zudem in der internationalen Seeschifffahrt nicht vorgeschrieben.
Ohne entsprechende internationale Regularien und lokal zu erprobende Maßnahmen verbleibt KI als Werkzeug im Meeresschutz gegebenenfalls wirkungslos.
Seegraswiesen im Fokus
Neben globalen Anstrengungen ist lokales Handeln essenziell. An den deutschen Küsten stellen Seegraswiesen besonders schützenswerte Gebiete dar. Seegraswiesen sind nicht nur eine potenziell wichtige Kohlenstoffdioxid-Senke mit bedeutsamem Beitrag zum Natürlichen Klimaschutz, sondern auch ein wichtiger Biodiversitäts-Hotspot. Daneben reinigen Seegraswiesen das Meerwasser und tragen so zur verbesserten Wasserqualität bei. Zusätzlich bilden Seegraswiesen einen Teil des natürlichen Küstenschutzes. Jedoch haben verschiedene menschliche Aktivitäten auch die Seegraswiesen massiv unter Druck gesetzt. Um potenzielle Renaturierungs- und Wiederansiedlungsmaßnahmen planen oder geeignete Schutzgebiete ausweisen zu können, ist ein möglichst genauer Kenntnisstand über das aktuelle Vorkommen von Seegraswiesen, die notwendigen Wachstumsbedingungen und die vorherrschenden Stressoren essenziell. Allerdings ist das Vorkommen von Seegraswiesen sowohl weltweit als auch in deutschen Gewässern bis heute unzureichend kartiert und die Gründe für den bisherigen Rückgang oftmals nicht vollends geklärt. Daher unterstützt das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz eine Bewertung der Seegrasgebiete in Nord- und Ostsee.