KI-Ideenwerkstatt in Karlsruhe: Hat eigentlich jemand die Platanen gefragt?
© ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Foto: Felix Grünschloß
Mitte November haben wir uns mit unserer sprechenden Platane ins Karlsruher Stadtgespräch gemischt und gemeinsam mit dem OK Lab und dem Klimabündnis Karlsruhe einen Prompting-Workshop durchgeführt.
Wie die sprechende Platane nach Karlsruhe kam
Im Mai 2025 waren wir mit unserer „plaudernden Platane“ bei der re:publica. Unter den vielen guten Gesprächen, die wir mit und an unserem sprechenden Baum über KI und Umweltschutz geführt haben, stach eines besonders heraus: Ute und Klaus Heid (Klaus ist Sprecher des Klimabündnisses Karlsruhe) informierten uns über ein lokales Umweltproblem, bei dem die sprechende Platane helfen könnte: Im Zuge einer großflächigen Neugestaltung der Karlsruher Innenstadt sollten viele gesunde Platanen gefällt werden. Dieses Vorhaben stieß bei Karlsruher Bürger*innen und Anwohner*innen auf massiven Widerstand.
Nach Karlsruhe hatten wir bereits gute Kontakte: Andreas Kugel vom dort ansässigen OK Lab, mit dem wir bereits 2023 einen Workshop durchgeführt hatten, nahm sich dem Thema und unserer Idee, die sprechende Platane ins Karlsruher Stadtgespräch zu mischen, sofort mit Begeisterung an. Gemeinsam mit dem Klimabündnis und dem OK Lab Karlsruhe planten wir einen Workshop, der sich mit den folgenden Fragen auseinandersetzen sollte:
Wie kann ein Baum-Chatbot sinnvoll zu politischen und gesellschaftlichen Debatten beitragen? Welche handfesten Informationen (sog. Domänenwissen) braucht eine KI, um fundierte Antworten zu geben? Welche Geschichten kann ein solches Projekt erzählen?
Zum Zeitpunkt des Workshops im November 2025 waren einige der Platanen bereits gefällt – ein kleiner Abendspaziergang über die Kaiserstraße offenbarte die großen Lücken in der Karlsruher Innenstadt. Unser Workshop fand deshalb nicht auf der Kaiserstraße statt, sondern mit einem portablen Platanen-Exponat im Museum ZKM Zentrum für Kunst und Medien, einer Kulturinstitution, die mit ihrem Fokus auf Medien, digitale Kunst und neue Technologien weltweit einzigartig ist. Überzeugt davon, dass Museen „Nutzen für die Gesellschaft und das Gemeinwohl“ haben sollen, öffnet das ZKM seine Türen für Personen, Initiativen und Communities. Im ZKM_USEUM – so heißt das offene Museumskonzept, bei dem das OK Lab Karlsruhe mitwirkt – durften wir inmitten der Ausstellung unseren Workshop durchführen.
© ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Felix Grünschloß
KI & Umweltschutz: Eine neue Interessengemeinschaft findet sich
Die Teilnehmenden waren eine sehr interessierte und gleichzeitig heterogene Gruppe – mit Verantwortlichen aus Politik und Stadtverwaltung, Expert*innen aus Umwelt- und Naturschutzbehörden, interessierten Bürger*innen und vom Innenstadtumbau betroffene Anwohner*innen, Aktivist*innen aus dem Klimabündnis und anderen Umweltschutzinitiativen, Tüftler*innen und Hacker*innen sowie Wissenschaftler*innen aus KI- und Informatik-Forschung. Außerdem mit im Raum: ein weiterer Umwelt-Chatbot!
Thorsten Kluß, Programmmanager der KI-Ideenwerkstatt für Umweltschutz und Moderator der Veranstaltung, begrüßte die Runde und stellte zunächst ein paar Weichen für ein gemeinsames Verständnis von KI und Umweltschutz. Eigentlich, so betonte er, stehe die KI-Ideenwerkstatt mit ihren Projekten nicht primär für die Nutzung generativer KI. Vielmehr seien es andere KI-gestützte Methoden und Ansätze (z. B. Bilderkennung, Fernerkundung, Audioerkennung, etc.), die im Umweltschutz zu tragen kommen – so z.B. in den Pilotprojekten der KI-Ideenwerkstatt. Das Projekt „Der sprechende Baum“ stelle im Portfolio der KI-Ideenwerkstatt eine Ausnahme dar, könne aber im Bereich der Umweltbildung außerordentlich hilfreich sein.
© ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Felix Grünschloß
Mit dem Beitrag von Clemens Gruber, Referent in der KI-Ideenwerkstatt, ging es ins Detail: Clemens zeichnete die technische Entwicklung und Anwendungsgeschichte des Exponats „sprechender Baum“ nach: vom Prototypen, der zunächst nur sprechen, aber noch nicht zuhören konnte, über die Live-Integration von Wetter- und Umweltdaten via Sensoren bis hin zum sprechenden Baum, der mit einem lokal betriebenen Sprachmodell und diversen lokalen Sensoren, die Lufttemperatur und Luftfeuchte auslesen, ausgestattet ist.
So funktioniert der sprechende Baum
Anhand der vielschichtigen Genese des Baumes wurde deutlich, dass in komplexen digitalen (Kunst-)Projekten oft viele Entwicklungsschritte, viele Menschen und viel kreative und konzeptionelle Arbeit steckt. So auch im jüngsten Entwicklungsschritt, den die sprechende Platane dank Andreas Kugel vom OK Lab Karlsruhe gehen durfte: Er stellte eine neue, browserbasierte Version der Platane vor, die hier ausprobiert werden kann.
© ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Felix Grünschloß)
Außerdem präsentierte Kugel eine RAG-Demo, mit der die Teilnehmenden im interaktiven Teil des Workshops arbeiten sollten: RAG (Retrieval Augmented Generation) ist eine KI-Technik, die große Sprachmodelle mit zusätzlichen Wissensquellen ergänzt. Das heißt: Das Wissen, das zur Beantwortung einer Frage oder eines Prompts erforderlich ist, wird nicht mehr nur aus dem LLM selbst generiert, sondern auch durch andere Wissensquellen wie Datenbanken oder Dokumentensammlungen. Mit einer solchen RAG AI lassen sich Fragen und Prompts zuverlässiger und genauer beantworten oder bearbeiten.
Die Teilnehmenden probierten die RAG Demo „Frag die Platane“ im Anschluss aus. Und lernten dabei, dass eine KI nur so gut ist wie ihre Daten. Die Antworten der sprechenden Platane variierten stark, je nachdem, mit welchem Wissen sie „angefüttert“ und wie der System-Prompt formuliert wurde.
Hier ausprobieren: Frag die Platane!
Eine KI ist nur so gut wie ihre Daten
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Lisa Hahn-Woernle (Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, LUBW) betonte in einem Kurzimpuls ebenfalls die zentrale Rolle (offener) Umweltdaten und stellte das umfangreiche Datenangebot der LUBW vor. Anschließend präsentierte sie einen weiteren Umwelt-Chatbot: KarlA. Gemeinsam mit Anja Preiß (Naturschuttzentrum Karlsuhe-Rappenwörth) entwickelte sie einen klassischen Chatbot, der auf Logik basierend Fragen beantwortet und mit umfangreichem Fachwissen über die Karlsruher Rheinauen und deren Artenreichtum ausgestattet ist.
Die sprechende Platane ist als KI hingegen nur begrenzt dazu in der Lage, Umweltinformationen korrekt wiederzugeben. Anders gesagt: Ob die Platane Quatsch plappert oder sinnvoll an einer Debatte beteiligt werden kann, liegt am System-Prompt und an den zugrundeliegenden Daten und Wissensquellen. Eine neutrale Rolle kann ein Chatbot nicht im Diskurs einnehmen. Allerdings kann sie unterschiedliche Positionen identifizieren, Argumente abwägen und versuchen, Konsense zu finden.
Diskussion mit Baum: Mehr Stadtgrün in Karlsruhe
© ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Felix Grünschloß
Im letzten Teil des Workshops diskutierten die Teilnehmenden über die gefällten Platanen, die Rolle von Stadtgrün für den Klimaschutz in Karlsruhe und über den Nutzen und die Risiken von KI für den Umweltschutz.
Weiterhin sorgt die Fällung der Platanen im Innenstadtbereich bei den Teilnehmenden für viel Unverständnis – insbesondere auch, weil deren Verlust in Zeiten zunehmender Hitzebelastung in der Stadt besonders schwerwiegend ist und über Jahrzehnte hinweg eine ökologische Lücke hinterlässt. Genau hier kann die plappernde Platane eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Denn, so Andreas Kugels Résumé: Die KI kann Fakten aufbereiten und zusammen mit Positionen einer größeren Gruppe spielerisch zugänglich machen. Das Fazit: Umwelt-Chatbots wie die sprechende Platane können im Kontext der Umweltbildung hilfreich sein und einen Beitrag zur Lösung von Umweltproblemen leisten. Sie geben Auskunft und ermöglichen Perspektivwechsel, sie erweitern Wissen, und vor allem: sie begeistern auch die Menschen, die bislang nicht mit KI und Umweltschutzthemen in Berührung gekommen sind.
Daher ist es umso erfreulicher, dass die Platane auch 2026 weiterplaudern wird:
Save the date: Vertiefungstreffen
Das OK Lab Karlsruhe plant für den 12.01.2026, von 19:00-21:00 Uhr, im ImpactHub Karlsruhe ein Folgetreffen, um Ideen, die aus der Veranstaltung entstanden sind, zu besprechen und zu vertiefen. Eine Online-Teilnahme wird möglich sein. Weitere Informationen gibt es hier.